Grenzlandarbeit

Am 24. Juni 1953 bereiste der Vorstand des AKV zum ersten Mal das südweststeirische Grenzgebiet, um sich ein Bild von der Lage dieses durch die Not der Nachkriegsjahre besonders betroffenen Landstriches zu verschaffen. Solche Erkundungsfahrten fanden in den folgenden Jahren regelmäßig statt. Sie dienten der Aussprache mit Lehrern und Bürgermeistern, mit Schulkindern und Eltern, ganz allgemein einer Bestandsaufnahme gleichwie der Anknüpfung neuer oder der Vertiefung bereits bestehender persönlicher Verbindungen. Die beiden Hauptprobleme des Grenzlandes ergaben sich aus dessen geographischer wie verkehrsmäßiger Randlage: wirtschaftliche Not und – weitgehend durch diese bedingt – Abwanderung (Landflucht).

Von Anfang an war es das Bestreben des AKV, seine Grenzlandarbeit auf möglichst breite Basis zu stellen und weite Kreise dafür zu gewinnen. Ausgehend von der Überlegung, daß die Lehrer die „anregenden und führenden Kräfte“ sind, regte er die Patenschaft von Grazer Schulen und Studentengruppen über Grenzlandschulen an, um diesen „Lehrbehelfe im weitesten Sinn über die Möglichkeiten der meist armen Gemeinden hinaus zu verschaffen“. So fanden am 6. Jänner 1954 die ersten Weihnachtsbescherungen durch Paten in drei Volksschulen des steirischen Grenzlandes statt – zwar verspätet, doch an dem dafür vorgesehenen 20. Dezember 1953 hatte Glatteis die Fahrt von Graz ins Grenzland verhindert. Dieses Patenschaftswesen konnte erfolgreich ausgebaut werden – 1965 wurden 30 Grenzlandschulen in Steiermark und Kärnten betreut. Die Tätigkeit der Paten war – und ist zum Teil bis heute – eine dreifache: (1) Zuwendungen an Schule, Lehrer, Kinder, mitunter auch an deren Eltern; (2) gemeinsam mit den Lehrern und Schülern der Patenschulen gestaltete Veranstaltungen (etwa Weihnachtsfeiern) in den Schulen; (3) Wahrnehmung einer Mittlerrolle zwischen der Grenze und Graz (dem AKV, den Landesbehörden).

Bei einer Tagung der Grenzlandbürgermeister des Bezirkes Deutschlandsberg, die am 13. November 1955 in Eibiswald von der dortigen Ortsgruppe des AKV durchgeführt wurde, hatten es die Gemeindehäupter unmißverständlich zum Ausdruck gebracht: „Wir brauchen eine wirtschaftlich gesunde, in ihrem Wesen lebendige Grenze“. Um die Mittel für eine umfassende Grenzlandarbeit zu erhalten, plante der AKV eine Sammlung für den Herbst 1956 und erhielt dazu auch die Bewilligung der Landesregierung. Unter dem Eindruck der Niederschlagung des Aufstandes gegen das kommunistische Regime in Ungarn und des nachfolgenden Flüchtlingsstromes nach Österreich, „welche die Spende- und Gebemöglichkeit und -freudigkeit in außerordentlichem Maß beanspruchten und noch weiter beanspruchen werden“, mußte die Sammlung auf Mai 1957 verschoben werden.

Mit einer Grenzschutztagung und anschließender Grenzlandkundgebung in Leibnitz am 16. November 1957 betonte der AKV vor Bezirkshauptleuten, Bürgermeistern und Lehrern aus dem Grenzland sein Engagement für diesen Landstrich. Die Tagung diente der Aussprache mit allen an den Problemen des Grenzlandes interessierten öffentlichen Stellen und Verbänden. Bei der abschließenden Kundgebung war Landeshauptmann Josef Krainer (d. Ä.) der Hauptredner: Er ging auf Einzelheiten von Bevölkerungsstruktur, Wirtschaftskraft, Verkehrserschließung und Unterrichtswesen des Grenzlandes ein und schloß mit einem Dank an den AKV, den er als „Sauerteig in der Grenzlandarbeit“ bezeichnete und über den er sich wiederholt dahingehend äußerte, „daß [er] gegründet werden müsse, bestehe er nicht schon“. Ja, der Landeshauptmann gab den Beamten des Landes sogar die ausdrückliche Weisung, daß die Arbeit des AKV zu unterstützen sei!

Bei einer Großkundgebung des AKV sprach am 3. April 1959 im Stefaniensaal Unterrichtsminister Dr. Heinrich Drimmel über „Österreich – Staat an der Grenze“. Und die allgemein anerkannte Kompetenz des Verbandes in Grenzlandfragen kam überzeugend zum Ausdruck, als das Außeninstitut der Technischen Hochschule Graz im Rahmen der Grazer Südost-Frühjahrsmesse 1960 eine Vortragsreihe über steirische Grenzprobleme veranstaltete: Der Obmann des AKV, Dr. Heinz Brunner, war geladen, über „Grenzschutzarbeit heute“ zu sprechen, und der AKV gestaltete eine Sonderausstellung „Grenzland“.

Mit dem Bau des „Grenzlandhauses“ in Spielfeld setzte der AKVS einen besonderen Schwerpunkt seiner Arbeit: Am 23. Oktober 1960 konnte der Bau in Anwesenheit von Landeshauptmann, Landeshauptmannstellvertreter, aller Grenzbezirkshauptleute, zahlreicher Bürgermeister u. a. feierlich eröffnet werden. Für den Berichterstatter bestand zu Recht kein Zweifel: „Die demokratischen Parteien der Steiermark bejahen einmütig die überparteiliche Arbeit des AKV Südmark.“ Der Mehrzweckbau verfügte über einen Festsaal mit Bühne, eine Lehrküche, eine kleine Herberge und ein Beratungszimmer für die Ortsgruppe Spielfeld des AKV. 1963 wurde das Heim aufgestockt, sodaß eine geräumige Jugendherberge entstand – das Grenzlandhaus hatte sich zu einem wesentlichen Kulturzentrum nicht nur für Spielfeld, sondern für den ganzen Bezirk Leibnitz entwickelt! 1995 wurde das Haus an die Gemeinde Spielfeld verkauft, 2017 entstand an seiner Stelle ein „Haus für Musik und Kultur“.

Im Frühjahr 1959 beteiligten sich 316 Studenten und Jugendliche an der ersten „Wohlfahrtsaufforstung“ des Verbandes im steirischen Grenzland: 42.000 Bäumchen konnten in witterungsbedingt kurz bemessener Frist gepflanzt werden. In Zusammenarbeit mit der Kammer für Land- und Forstwirtschaft fanden solche Aufforstungsaktionen bis in die siebziger Jahre hinein jährlich statt, einige hunderttausend Baumpflanzen konnten auf diese Weise gesetzt werden – eine wertvolle und gerne angenommene Hilfe für die Grenzlandbauern.

Ein 1963 vom AKVS ausgeschriebener Photowettbewerb führte ab 1968 zur Herausgabe einer Serie von Farbpostkarten „Steirische Burgen und Schlösser“.

Der Einladung des AKVS zu einer Bürgermeistertagung im Grenzlandhaus Spielfeld folgten am 16. März 1963 die Bürgermeister von 33 Grenzgemeinden sowie die Bezirkshauptleute der vier steirischen Grenzbezirke (Deutschlandsberg, Leibnitz, Radkersburg, Feldbach). Besprechungsthemen waren die wirtschaftliche Lage des Grenzlandes, die Abwanderung aus den Grenzorten, eine besondere Förderung der Lehrer als Anreiz, einen Posten im Grenzland anzunehmen, und – davon ausgehend – der Gedanke, im Grenzland Lehrerwohnhäuser als gewidmete Wohnmöglichkeiten zu errichten. Dieser Plan konnte durch Zusammenarbeit des AKVS mit der Siedlungsgenossenschaft „Heimstätte“ in die Tat umgesetzt werden: Am 10. November 1966 konnten zwei Häuser in St. Anna am Aigen und je eines in Fehring und Leutschach ihrer Bestimmung übergeben werden.

Das Vorstandsmitglied des AKVS Dr. Manfred Straka hob die Volkstumsarbeit des Verbandes gleichsam auf eine höhere Warte. Als international geschätzter Volksgruppenfachmann war er bereits in den fünfziger Jahren mit der Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen (FUEV) in Berührung gekommen. Seine Mitarbeit im Zentralausschuß der FUEV bewirkte die Wahl von Graz als Ort für dessen Tagung am 15./16. Oktober 1965; der Generalsekretär der FUEV, Povl Skadegård, sprach am zweiten Tag in einem öffentlichen Vortrag über „Bausteine Europas – Staaten oder Völker“. Und am 17. Oktober bereisten die Gäste auf Einladung des AKV das steirische Grenzland. Von 1. bis 5. Juni 1966 tagte der FUEV-Zentralausschuß neuerlich in Graz.

Am 13. September 1967 wurde der Lehrbetrieb am Musisch-pädagogischen Realgymnasium in der Bezirkshauptstadt Radkersburg aufgenommen – der AKVS hatte sich gerade für diesen exponierten Standort sehr vehement eingesetzt. Und auf direkte Initiative des AKVS hin entstand gleichsam zum Ausgleich dafür in Mureck, dem zweitgrößten Ort des Bezirkes, 1970 eine dreijährige Fachschule für wirtschaftliche und soziale Frauenberufe, die 1975 als Bundesfachschule für wirtschaftliche Frauenberufe (heute: Höhere Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe) ein neu errichtetes Gebäude beziehen konnte – AKVS-Obmann Heinz Brunner wurde dafür posthum durch die Benennung einer Straße der Stadt in „Dr.-Heinz-Brunner-Straße“ geehrt.

Eine zweite Arbeitstagung im Grenzlandhaus in Spielfeld führte am 3. und 4. Mai 1969 die Obleute der Ortsgruppen zu gemeinsamer Beratung zusammen, die sich unter anderem mit der drohenden Auflassung der „niederorganisierten“ Schulen des Grenzlandes befaßte. Die Tagung beschloß ein Vortrag von Dr. Ernst Papesch zum Thema „Jenseits unserer Südgrenze“, der besonders im Hinblick auf das Spannungsfeld zwischen gesellschaftspolitischer Abgrenzung und wirtschaftlicher Öffnung heftig diskutiert wurde.

Am 13. Juni 1969 war Landeshauptmann Josef Krainer (d. Ä.) der Hauptreferent bei der Jahreshauptversammlung des AKVS: Er ging insbesondere auf die wirtschaftlichen Probleme des Grenzlandes und die dadurch bedingte Abwanderung ein, schilderte aber auch die gegensteuernden Maßnahmen der Steiermärkischen Landesregierung und betonte abschließend seine Zuversicht, um die Grenze nicht besorgt sein zu müssen, „auch deshalb nicht, weil wir einen guten Wächter an unserer Grenze haben: Das ist unser Kulturverband Südmark.“

Am 23. Mai 1971 starb Dr. Heinz Brunner, am 28. November desselben Jahres Josef Krainer (d. Ä.) – damit waren zwei Männer aus dem Leben geschieden, die durch persönliche Freundschaft und vielfältige Übereinstimmung in ihren Anschauungen, nicht zuletzt in ihrer gemeinsamen Sorge um die Entwicklung der Südsteiermark, verbunden waren und in ihren Funktionen – AKVS-Obmann und Landeshauptmann – einander ideal ergänzend Großartiges für das Grenzland erreicht hatten. Es war gewiß nicht leicht, daran bruchlos anzuknüpfen!

Doch schon im Jahr darauf, am 16. Juni 1972, hielt wiederum der Landeshauptmann das Hauptreferat anläßlich der Jahreshauptversammlung des AKVS: Dr. Friedrich Niederl sprach über „Grenzland Steiermark – Auftrag und Verpflichtung“ und rückte dabei die großen Bemühungen der Landesregierung um die Bildungs-, Wirtschafts- und Verkehrspolitik für das Grenzland in die Mitte seiner Ausführungen. Andererseits kam bei der Versammlung aber sehr deutlich die Sorge wegen der drohenden Auflösung kleiner Grenzlandschulen zum Ausdruck: Die Schülerzahl ging zurück, und die Lehrerstellen waren immer schwerer zu besetzen.

Volksschule Ratsch

Seit den 1950er Jahren betreut die Ortsgruppe Graz des AKV die Volksschule Ratsch an der Weinstraße.

Diese Schule wurde 1882 als einklassige Volksschule eröffnet. Wegen der gestiegenen Schülerzahl wurde ein Ausbau erforderlich, um zwei Schulklassen Raum zu bieten. Der Erweiterungsbau konnte mit aus Mitteln des Vereines Südmark durchgeführt und 1928 abgeschlossen werden. Damals übernahm die Südmark die Patenschaft über die Schule, anläßlich der Feier des 50jährigen Bestehens (1932) erfolgte die Benennung als „Dr.-Ferdinand-Eger-Schule“.

1939/41 wurde an anderer Stelle ein großzügiger Neubau errichtet. Die Schule wurde nun dreiklassig, ab 1952 sogar vierklassig geführt. 1981 erfolgte ein neuerlicher Ausbau, derzeit erfolgt der Unterricht in vier Schulstufen.